Dienstag, November 07, 2006

Die Liebe






Viele haben davon gehört, viele erzählen von der Liebe zu ihrer Familie und glauben, Liebe zu erfahren und zu geben, aber richtige Liebe reicht weit über die Familie hinaus. Doch die bedingungslose Liebe hat mir erst der Camino beigebracht. Seitdem ist es schwer für mich, zu Hause die Leute zu sehen, die vor Belanglosigkeiten Angst haben und kein Vertrauen in Gott und sich selber besitzen, es ist schwer zu sehen, wie hart und herzlos die Menschen miteinander umgehen, noch habe ich keine Möglichkeit gefunden, wie ich mit Menschen umgehen soll, die lästern und tratschen und ihr Leben zu einer lebendigen Tageszeitung machen, viele funktionieren nur noch wie eine Maschine. Es ist schwer, in der Masse die wenigen Menschen herauszufinden, mit denen ein glückliches und friedliches Leben möglich ist. Ich kenne viele, viele Menschen, denen ich heute lieber aus dem Weg gehen möchte und nur einige wenige, deren Nähe ich noch ertragen kann. Doch der Camino gibt auch Hoffnung, denn gerade wir Deutschen sind auf dem Camino zahlreich vertreten und gehen ihn immer und immer wieder. Ich auch.

Und wir lernen, wie Gott das Leben gemeint hat. Nach meinem ersten Teil des Jakobsweges im letzten Jahr hatte ich ein Erlebnis mit einem Menschen, der über eine Stunde lang seine Mutter beschimpfte, anbrüllte und traktierte. Ob er im Recht mit seinen Vorwürfen war oder nicht, spielte für mich eine untergeordnete Rolle, ich fand die Szene einfach nur schrecklich, der Ton macht die Musik. Ich wußte zu dem Zeitpunkt bereits, daß sich Gedanken oft in die Tat umsetzen und ein guter Freund brachte mir bei, wie Affirmationen wirken. Er sagte, wenn jemand aggressiv und ungemütlich ist, dann denke: „Friede sei mit dir“. Ich war also in einer Situation, diese Affirmation einmal auszuprobieren und wollte Erfolge sehen, aber der Satz fiel mir einfach nicht ein. Ich war nicht in der Lage, diesen Satz zu denken und dachte immer nur: „Ruhe in Frieden“. Aufgrund der Tatsache, daß ich diesen Spruch nur von Grabsteinen kannte, konnte ich mir das Lachen nur mühsam verkneifen und mußte mich oft umdrehen, weil das breite Grinsen nicht aus meinem Gesicht verschwinden wollte, welches natürlich überhaupt nicht zur Situation passte. Beide Betroffenen hatten nichts von meinem Dilemma bemerkt, aber die Affirmation wrkte! Wahrscheinlich haben sie mein Grinsen sehen und kamen sich allmählich lächerlich vor.

Etwa eine Stunde später waren alle glücklich und zufrieden. Vieles passiert unbewußt, ohne dass wir bemerken, was wir anrichten. Doch wir lernen, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen um zu erkennen, wie wir leben.

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